Wir lagen am ibizenkischen Strand von Salinas vor der Edel-Hippie-Beach-Bude Sa Trinxa. Es war ein toller Tag, es wurde Zeit zu gehen. Als ich mir mein Kleid überzog, hörte ich es von hinten im schwäbischen Tonfall zischen: „Wird aber auch Zeit, dass die sich anzieht!“ Das kam hart und es tat weh. Dies war das erste Mal in neun Jahren, dass mich jemand am Strand verletzt hat. Und das auf der Insel, deren Maxime lautet: Leben und Leben lassen. Weiterlesen
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BRCA – Gentest in Berlin. Zulassung und Ablauf
Meine Mädchen sind auf dem Weg groß zu werden. Da in unserer Familie Krebs ziemlich früh auftaucht, müssen sie früh in die Vorsorge gehen. Um bestimmte Vorsorgeuntersuchungen nicht extra zahlen zu müssen, muss man ein Risikopatient sein. Bisher ist das ein sehr schwammiger Begriff – noch kann man einfach sagen, dass es mehrere Krebsfälle in der Familie gab – bald ändert sich das: dann muß man eine genetische Veranlagung vorlegen.
Auch damit ich noch in den nächsten 30 Jahren bestimmte Nachsorgeuntersuchen ohne Zusatzkosten durchführen lassen darf, setzt den Gentest voraus. Das finde ich sehr logisch.
Praktisch ist es allerdings dann so: man checkt erst mal die lange Liste ob man am Programm teilnehmen darf durch. Dann versucht man im kleinen Zeithorizont der angegebenen Nummer jemanden zu erreichen. Dann wird man noch mal gefragt, ob man denn die Kriterien der Liste erfüllt. Dann wird einem ein Termin genannt – in ca 3 bis 4 Monaten. Eine Liste wird gemailt, in der der Stammbaum und die eigenen Erkrankungen abgefragt wird – diese muss zur Untersuchung mitgenommen werden – und eine Überweisung (also wieder zum anderen Arzt düsen, um diese zu bekommen). Dann: Anmeldung mit noch einem auszufüllenden Formular (Krankenhausanmeldungen sind die Unangenehmsten). Nach einer Wartestunde (gefühlte 10% des eigenen Lebens hat man schon in den verschiedensten Wartezimmern verbracht). Endlich kommt die Ärztin! Dann erklärt man seine Geschichte, die Geschichte der Krebsfälle in der Familie und die ausgefüllten Bögen. Daraufhin wird eine Wahrscheinlichkeit errechnet. Dieser Wahrscheinlichkeitsfaktor muß über 30% sein – dann erst wird man zur Blutprobe zugelassen, die dann 3 – 4 Monate nach dem Termin stattfinden kann. Erst dann bekommt man den Termin mit dem Ergebnis – ich hoffe, dass ich dann nicht wieder 3-4 Monate auf das Ergebnis warten muss.
Ich verstehe natürlich, dass so ein Test gemacht werden muss – aber aber dieser Ablauf und die Zeitspannen dazwischen machen mich Wahnsinnig.
Kurzgedanken
22.10. Reaktionen anderer Leute
Ibiza
Wir sitzen im Restaurant. An einem Tisch links, ca. 6 Meter entfernt, sitzen 3 toughe Männer und eine toughe Frau – rein optisch Ibiza Club-Business.
Ich merke, wie die Frau ab und zu rüberguckt. Sie wirkt leicht irritiert. Ich registriere, wie sich die Stimmen in der Unterhaltung leicht senken. Einige Minuten später bemerke ich aus den Augenwinkeln, dass sich einer der Männer zu mir umgedreht hat und mich anstarrt. Ich starre zurück. Unsere Augen treffen sich. Nach ca. 10 Sekunden dreht er sich um.
Was ist das? Gafft er? Fragt er sich, warum sich bei mir keine Brüste abzeichnen? Hat er Mitleid? Empfindet er Scham? Was ist es?
Als wir gehen, nickt mir die Frau am Tisch sehr freundlich zu. Jetzt weiss ich – alles war irgendwie freundlich. Vor dem nicken wusste ich das nicht. Es war wichtig, dass die Frau genickt hat!
MITLEID IST DOOF! ANTEILNAHME IN FORM VON INTERESSE FINDE ICH GUT!
In einem Strandrestaurant gehe ich auf die Toilette, um mein Oberteil zu wechseln. Eine ältere Dame kommt rein. Spontan entschuldige ich mich dafür, hier nackt zu stehen und – wortwörtlich – dafür, dass ich nicht wirklich schön anzusehen bin. Sie sieht auf meine Narben und sagt, dass es o.k. sein. Uff. Ich lerne gerade ganz schön viel. So viele neue Situationen… so
24.10. Der Chemogruss
In Ibiza-Stadt sah ich eine ältere grinsende Spanierin, die ungefähr dieselbe Haarlänge hatte, wie ich. Ich sah sie fragend an, zeigte auf meinen Port, lächelte…sie lächelte zurück, nickte und wir wünschten uns gegenseitig mit lautem Lachen viel Glück! HAND AUF DEN PORT: DAS IST DER CHEMOGRUSS… hihihi! UNVERWECHSELBAR!
25.10. Schweinegrippen-Impf-Anfang
Heidewitzka. Wie kann es sein, dass eine neue Form der Grippe so schnell erforscht werden kann, ein Impfstoff für den Großteil Europas zur Verfügung steht und parallel eine Krankheit wie Krebs, die zweitgrösste Strebeursache, immer noch ein Mysterium ist?
Ist das Lobbyismus? Stehen Schweinegrippen-aktien höher im Kurs?
26.10. Schlechtes Gewissen bei Krebs
Was ist Krebs eigentlich? Warum kommt er? Wodurch entsteht er wirklich?
Das ist alles so ungreifbar.
Ist da ein Knoten in der Seele verantwortlich?
Das würde heissen, dass man selber schuld ist.
Habe ich selbst Schuld?
Ist es eine Form der Autoaggression? Bin ich Autoaggressiv? Würde ich mich selbst verletzen?
Diese Gedanken kommen regelmässig und jedes Mal bekomme ich ein schlechtes Gewissen.
Entscheidung Brustaufbau ja oder nein
Am Tag der Entscheidung zur Komplettamputation stand für mich eigentlich fest, dass ich mir die Brüste wieder „aufbauen“ lasse. Dann heilten die Wunden, die Haare fielen aus und ich überlegt, was eigentlich meine Gründe für einen Brustaufbau sind.
Erst einmal fragte ich mich, ob ich auch ohne Brüste klarkommen würde.
Klare Antwort: ja. Mami hatte viel viel viel größere Brüste und kam auch damit klar. Gut, sie war nicht so eitel, wie ich – aber der Unterschied – vor und nach der O.P. – war bei ihr sehr viel größer.
Also: Eitelkeit, Wirkung nach außen.
Ich finde, ich sehe ganz gut aus. Und wenn ich mal ein tolles Kleid anziehen will, trage ich einfach Einlagen.
Was bleibt da noch übrig für meine Entscheidung? Natürlich der Sex. Das wichtigste beim Sex, was mit den Brüsten zu tun hatte, war bei mir eigentlich nur das Spielen mit den Brustwarzen. Das gibt es nun so oder so nicht mehr. Die kann man nicht nachmachen. Als mir das klar wurde, habe ich mich mit Hendrick zusammengesetzt, ihm gesagt, dass ich traurig bin, weil ich seinen süssen Gesichtsausdruck beim Spiel an meinen Brustwarzen nie mehr sehen werde. Aber dann war es auch o.k. manchmal muß man einen Abschied auch nur mal aussprechen. Und was haben wir danach Spaß gehabt!
Natürlich stellte ich meinen zauberhaften Hendrick auch die Frage. Die Entscheidung habe ich im Endeffekt auch ihm überlassen. Spontan sagte er: gar keine Frage –ohne ist gut. Ich habe ihn gebeten, noch ein wenig darüber nachzudenken. 1 Woche später bekam ich von ihm eine wunderbare Skizze von mir – als Amazone.
Fazit: ich lass es so wie es ist – und falls ich meine Meinung in 4 oder 5 Jahren ändern sollte, dann kann ich den Eingriff immer noch machen lassen.
Diese Entscheidung habe ich vor ca. 7 Wochen gefasst und von Tag zu Tag festigt sie sich.
Kommentar:
Liebe Uta!!
Durch deine gesamte Dokumentation die ich mir natürlich aus vollstem Interesse durchgelesen und Fotos geschaut habe, hab ich festgestellt, dass wir fast zur gleichen Zeit unsere Diagnose hatten, unsere Chemos und auch die gleiche Radikal –Op hinter uns haben. Ich habe mir im nachhinein auch die 2. Brust abnehmen lassen und Anfang dieses Jahres auch die Eierstöcke heraus nehmen lassen !! Nun ist wieder Sommer und ich bin noch ganz in der Entscheidungsphase…Aufbau ja oder nein…??!! Im Moment fühle ich mich so platt wie ich bin ganz o.k. und verlasse langsam den Gedanken doch den Aufbau machen zu lassen , was auch bei mir direkt nach der OP überhaupt keine Frage war….Aufbau , na klar….Aber auch ich stell mir ständig die Frage wozu würde ich mir die Brüste wieder herstellen lassen?? Ich für mich weiss, dass ich mich nie über meine Brüste definiert habe, aber durchaus schon immer sehr auf meinen Körper geachtet habe( mache zu Zeit auch wieder regelmäßig Sport wie eine Bekloppte)!! Also Körpererscheinungsbild war und ist für mich schon wichtig, doch merke ich dass meine Brust dabei garnicht so eine große Rolle spielt!! Und auch ich denke, wenn ich mal eine schickes Top oder Kleid oder was auch immer tragen möchte schmeiß ich einfach meine Prothesen ein (hahahahaha!!!)
Vielen dank für deine doch eigentlich ziemlich intime und persönliche Dokumentatgion deines letzten Jahres….kann mich direkt mit einklinken und alles, deine Fotos, deine Kommentare genaustens nachvollziehen…..vor allem alles zur gleichen Zeit….habe ja nun euren Berichti im Fernsehen gesehen…auch deine mittlerweile tolle Frisur!! Auch ich habe mittlerweile etwa die gleich Haarlänge und Löckchen!!! hihihi….
Ich wünsche dir weiterhin soooo viel positive Energie, Power und strahlendes Lebensgefühl, auch wenn es Tage gibt die einen manchmaL WIEDER EINHOLEN; ich bin seit meiner Diagnose sehr viel entspannter und kümmer mich auch viel mehr um mich und meine Bedürfnisse !! Und dann tut es gut, jemanden wie dich kennen zu lernen, jemanden dem es genauso geht, und der Mut macht auch weiter so positiv im hier und jetzt zu sein…..du hast eine wunderbare Austrahlung, bist wunderschön !!
bleib wie du bist…..und:“ WER DER SONNE ENTGEGEN GEHT, LÄSST DEN SCHATTEN HINTER SICH………..“
in diesem Sinne liebe Grüsse URTE